Avalon Quintessenz
AVALON ist ein Impuls, der den heute dominierenden, von seiner Natur getrennten Typus des sog. „Barbaren“ entlarvt. Der Barbar entwickelt aus der blossen Idee, von den Lebenskräften getrennt, eine strenge, freudlose und asketische Moralität, die für den Menschen - heute immer sichtbarer - in den Abgrund führt. Das Gute über den Zwang zu befehlen verwandelt das bestenfalls Gutgemeinte ins Böse und endet in der moralischen Enttäuschung. Ressentiments, Neid und Machtstreben finden ihren Weg immer ungehinderter in Gesetze, Verordnungen und Amtsstuben. Der Barbar schreckt auch nicht davor zurück, seine eigene Erfahrungsfähigkeit zu zerstören, um seine zur Ideologie mutierte Idee zu halten. Gefangen in der Welt der Idee wächst das Weltfremde, bis es zu einem fundamentalen Angriff auf den Menschen selbst wird. Der herrschende Barbar nimmt seinen, sich ihm oft selbst Unterwerfenden, die Würde, weil jene nur ein Mitleid kennen – das Selbstmitleid. So gieren sie nach Linderung des selbst zugefügten Schmerzes, den der Barbar ihnen abzunehmen verspricht - das nennt er dann ‚Sozialstaat‘ - und die Freiheit stiehlt er ihnen auch, weil sie jene so gern gegen Sicherheit eintauschen. So mutiert die Herrschaft des Volkes zur Herrschaft der Barbaren und so schwindet auch die Schönheit als Freiheit in der Erscheinung; an ihre Stelle tritt eine Landschaft übersät von unschönen Zweckbauten. Die Gesundheit als Ausdruck naturgemässen Lebens zieht sich mehr und mehr zurück und lässt ein erschlaffendes, ermüdendes, ausgebranntes und kränkelndes Menschenwesen zurück, das auch verlernt hat, sich gesund zu ernähren.
Avalon wendet sich deshalb aber auch nicht speziell an den Wilden, der es nicht schafft, seine Naturkräfte zu bändigen, geschweige denn umzuformen. Er ist diesen Naturkräften geradezu schutzlos ausgesetzt und so bleibt ihm nur die Verinnerlichung dieser Wildheit mit dem Preis, dass er im Stolz auf diese doch nur fremdbestimmt bleibt. Der Wilde ist schon zufrieden, dass er sich durch seinen blossen Willen vom Tier unterscheidet und er dadurch auch in erstaunlicher Gesundheit leben kann. Für Kunst und Kultur hat er meist nur Verachtung übrig.
Avalon zieht Menschen an, die auf ihrem Lebensweg voranschreitend, links und rechts die barbarischen und wilden Abgründe erkennen und dennoch einigermassen gradlinig weitergehen können. Sie wissen, dass sie sich ihren eigenen Kompass bauen müssen, um den Weg auch bei Nebel weiter beschreiten zu können. Sie haben Schmerzen, doch wandeln sie diese in Erkenntniskräfte um. Sie schaffen sich so ihr eigenes Vermögen und können, getragen von einem wachsenden Selbstbewusstsein, ihre Willenskräfte in das Verstehen (und nicht das Verurteilen) einbringen. Ihre Lebensstimmung ist die eines Abenteurers, der jeden Tag in neue, vorerst unverständliche Situationen hinein gestellt ist oder hineingerät, die letztlich den Lernstoff für die Stärkung der Bewusstseinsseele bilden. Vorbild ist Parzival, der als Nichtwissender an verschiedenen Aufgaben, oft auch an ihnen scheinbar scheiternd, immer aber an ihnen wachsend, zu mehr Wissen kommt, bis er letztlich sich sogar die Fähigkeit des Mitleidens abzuringen vermag, welche zur Grundlage der Freiheit wird.
Avalon steht unter dem Schutz des Freisten und wird sich eines Tages als etwas manifestieren können, was wir heute ‚Staat‘ nennen und sich dann, wenn er es zur Anschauung für die Menschen gebracht hat, in einer andersartigen Gleichheit zeigt. Dann oder dort wird die Gralssuche verstanden werden können als das Durchbrechen des aus den Niederungen kommenden Menschen in die höheren, d.h. geistigeren Sphären, in denen sein Kopf aus den Nebeln herauszuragen beginnt und dann durch seine eigene Schöpferkraft immer mehr seiner Gestalt offenbar wird bis sie neu erstrahlt. Dieser Mensch wird begriffen haben, dass er sich selbst aus dem Nichts neu zu schaffen hat, wenn er Mensch werden will und unter vielem anderen auch die materialistische Auffassung und Gefangennahme durch Erbströme, Herkunft und anderen unzulänglichen Theorien abschütteln wird.
Die folgenden fünf Ingredienzen dieses geistigen Impulses verdichten sich durch ihr Zusammenwirken zu einer Quintessenz, die sich durch das oft schmerzhafte Gebären neuer Fragen und dem fortwährend vertieften Beantworten laufend erneuert und sich zu einer ‚Kunst des Sozialen‘ entwickelt:
1. Individuelle Integrität
Wenn in unserem Verhalten unsere Werte und Ideale anschaulich werden, offenbart sich unsere eigene, essentielle Integrität. Es ist eine Schlüsselaufgabe des Avalon-Schülers, sich denkend und handelnd diejenigen Werte und Ideale ins Bewusstsein zu bringen, für die er auch die Konsequenzen zu tragen bereit ist. Damit das geschehen kann, bietet Avalon, verkörpert durch den Modelhof, einen Raum, in welchem Wahrhaftigkeit, Wohlwollen und der Wille zur Freiheit veranlagt sind. Wer dies ablehnt, muss draussen bleiben.
Wir drehen uns im Stand in die Richtung der Ideale und laufen dann in diese Richtung los – so sind sie unsere Orientierung und unsere Zukunft. Das Mass, mit dem wir uns für sie einsetzen und daraus Vorzüge zu bilden vermögen, bestimmt unsere individuelle Integrität.
2. Lernen
Avalon zieht Bürger an, die ihren wesentlichen Lebenssinn in der Lerntätigkeit erkennen oder zumindest erahnen. Lernende erfahren sich selbst als besonders ergiebigen Forschungsgegenstand. Ein Kernelement dabei ist die Forschung nach den eigenen Beweggründen, also die Frage: Was bewegt mich wirklich, das zu tun, was ich tue? Wenn z.B. jemand ‚schlecht‘ angezogen ist, kann es ökonomische Gründe haben, aber auch z.B. den Grund, dass sich der Träger fortwährend beweisen muss, dass er nicht eitel ist. Dies deutet auf Eitelkeit hin und zieht die anderen insofern in Mitleidenschaft, als sie keine Erhebung durch den Anblick dieser verborgen eitlen Person erfahren können. Beweggründe sind Urkräfte des Willens, die oft im Verborgenen liegen und unter Umständen erst wieder in der vollzogenen Handlung in Erscheinung treten – entsprechend interessant kann die Forschung nach ihnen sein. Dazu braucht es Interesse an sich und der Welt, Unvoreingenommenheit für Neues und Schonungslosigkeit gegen sich selbst. Das Denken ist die Schlüsseltätigkeit dazu.
In der Avalon-Lernkultur ist ein Problem nicht negativ, sondern eine Lernchance, weil es das Denken in Gang setzt. Entsprechend macht das Leben hier Freude, weil alle Bürger in dieselbe, nämlich lösungsorientierte Richtung denken und handeln, ohne dabei uniform zu denken und zu handeln – im Gegenteil: Ihre Individualität tritt so akzentuierter hervor.
Eine wichtige und schöne Lernfrucht ist das Erkennen von Gesetzmässigkeiten und Einsichten in das, was rechtmässig ist und was nicht. Derlei Einsichten verschaffen dem Lernenden eine zunehmende Stimmung der Objektivität, die hilft, von der heute dominierenden Empörungskultur wegzukommen. Avalon hat es nicht auf die Expansion seines Territoriums abgesehen, sondern auf die Expansion des Bewusstseins seiner Bürger. So wird Macht rechtmässig.
3. Qualität
In der Liebe zur Qualität äussert sich die Wertschätzung für das eigene Dasein und dasjenige des Anderen; so legt sie die Grundlage für unser Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln. Getragen von der Selbstschätzung als willkommene Form des heute so oft gescholtenen Egoismus‘ denkt und handelt der Avalonier sorgfältig, gründlich und zuverlässig. Er ist ein Egoist im guten Sinne, indem er darauf aus ist, für sich selbst zu sorgen, auch, aber nicht nur, um nicht seinen Mitmenschen eine Last zu sein.
Das Denken ergiesst sich in ein Sprachbewusstsein, welches dem Wort und der Satzbildung höchste Bedeutung ‚zuspricht‘. Der Avalonier ist ein strenger Hüter seiner Zunge, Sprachforscher, Sprachtalent und Sprechübender. Er unterscheidet zwischen den Anforderungen an den schriftlichen und an den mündlichen Ausdruck und weiss sogar um Dinge, die nicht gesagt, sondern besser gleich getan werden wollen oder noch unausgesprochen bleiben müssen, damit sie keinen Schaden anrichten und trotzdem wahrhaftig bleiben können. In der Ahnung um den geheimnisvollen Zusammenhang zwischen Form und Inhalt vermag er in beiden Sphären gleichzeitig zu wirken und zu schaffen.
Während anderswo bei schlechter Qualität der Andere die ‚Schuld‘ trägt, will der Avalonier ‚schuld sein‘, d.h. er verwandelt das Schuldgefühl in Verantwortungsbewusstsein – er will verstehen, warum etwas Unschönes passiert ist, weil er es heilen oder die Wiederholung des Unschönen vermeiden will. Er weiss, dass er im Anderen sich selbst sieht und hütet sich vor dem raschen Urteil, vielmehr schiebt er es so lange wie möglich hinaus. Er sucht nicht die kurzfristig komfortable Opferrolle, sondern die langfristig verantwortungsvolle Täterrolle. Woher nimmt er die dazu notwendige Ausdauer? Was ist das Verhältnis von Qualität und Quantität? Unter welchen Titeln und Argumenten laufen die immer wiederkehrenden Angriffe auf die Qualität und wie ist ihnen zu begegnen? Ja, hier sind noch nicht alle Fragen beantwortet.
4. Die Ökonomie – eine Ode
Die Ökonomie ist ein Wesen, das sich in Avalon wohl fühlen kann. Sie weiss genau, was sie ist, was sie will und was sie bewirkt – merkwürdig nur: Der Ökonom da draussen scheint davon weit entfernt zu sein.
Sie ist sparsam, sorgfältig, wertschaffend, genau, wahrheitsgetreu, bedacht und aufmerksam, denn nichts geht bei ihr verloren, aus allem wird etwas mit Wert geschaffen. Er aber ist unsicher, starrt angsterfüllt auf das Kurzfrist-Phänomen der Konjunktur, will Konsum mit allen Mitteln ankurbeln, hat den Geist des Geldes nicht begriffen, macht Sterbende (Banken ) zu Untoten, redet enorme Defizite schön und taumelt von einer falschen Prognose zur anderen. Sie aber ist treu, fleissig, gradlinig und effektiv; lässt immer wieder Blasen platzen, Schlaumeier ins Leere laufen, diszipliniert Prasser und erschafft derweil weiter Schätze. So aber sind die Neider und Schmarotzer auch nicht weit. Sie wird eine Gierige gescholten, ja sogar als Diebin bezeichnet. Andere schreiben Sätze auf geduldiges Papier, nennen es Gesetz, um ihr unter den schönsten Worten wie ‚Gerechtigkeit’ und ‚Solidarität’ ihre Schätze zu stehlen. Jene scheuen dabei nicht davor zurück, die Menschen zu einem unehrenhaften Leben, nämlich auf Kosten anderer, zu verführen – sie nennt es nüchtern ‚Renten erschleichende Gesellschaft’. Sie aber bleibt ruhig, gewissenhaft, standhaft und tätig, weil sie höheren Gesetzen folgt, die nicht geschrieben sein müssen, um zu gelten. So wird sie auch diesen Sieg davontragen, wie damals als sie in Berlin die Mauer einstürzen liess, welche die Beschränktheit des Sozialismus‘ so anschaulich machte. Sie macht das erstaunlich milde, friedfertig, gelassen und wohltuend für alle und verliert kein Wort an ihre Anschuldiger; ihre Tugendhaftigkeit ist gross und ihre Früchte sind schön. Und so wird auch sie in Avalon das Denken und Handeln anregen und das Schöne möglich machen.
In Avalon ist das Geld nicht vom Geiste Mammons besetzt, der nämlich nur - aber immerhin - ein mächtiges Konglomerat ist, bestehend aus verschiedensten Untugenden wie Neid, Missgunst auf die anderen, gepaart mit Minderwertigkeitsgefühlen aus dem, allenfalls sogar zu strengen, Urteil über den eigenen Erfolg. Geld trägt den Geist, mit dem man es erworben hat, so dass man die Menschen tatsächlich an ihren Früchten erkennen kann. In Avalon ist kein Platz für die Verachtung des Geldes.
5. Vertrauen
Avalon ist ein Zusammenwirken souveräner Individuen, die in einem sinnvollen Ganzen einen sozialen Organismus bilden. Das ideale Zusammenwirken kommt in der Formel 1 + 1 = 3 zum Ausdruck. In einem fruchtbaren Gespräch, in dem Erkenntnisse ausgetauscht werden, kann dieses vermeintliche Wunder praktisch erlebt werden. Der Eine gibt geistigen Inhalt, ohne es dabei zu verlieren – im Gegenteil, es wächst noch durch den Tausch. Der Andere empfängt es dankend und ist so bereichert. Im Prinzip der Gegenseitigkeit verstärkt sich diese Synergie zu einem erlebbaren Reichtum. Es ist hier aber auch eine Menschenpflicht, das Gegenüber zu korrigieren und auf Untugenden hinzuweisen, ansonsten sie sich weiter auswachsen, bis ihnen kaum mehr Einhalt geboten werden kann. Anschauung erhalten wir jetzt im unmittelbaren Kontext, aus welchem heraus Avalon geboren worden ist: Allerorten versklavt der tote Buchstabe die Menschen.
Der Bürger dieser neuen Welt verteidigt den Abwesenden aus dem tiefen Verständnis seiner Schutzlosigkeit – er erreicht so rasch eine Heilung der einen sozialen Organismus zerrüttenden Untugend, über Abwesende schlecht zu sprechen.
Aber auch hier in der Neuen Welt kann jederzeit sogar der mathematisch-logische Erwartungswert von 2 (aus 1+1) noch unterschritten werden – so im Konfliktfall. Er ist ein besonders ergiebiger Forschungsgegenstand und kann sich so von einer Gefahr zu einem Nutzen für die Entwicklung einer ‚Kunst des Sozialen‘ verwandeln – einer Kunst, die getragen ist von Menschenkenntnis und Urvertrauen. Der Avalonier ist nicht bestimmt durch das innere Gedrängtsein, eine Aussage loszuwerden, sondern beseelt vom Willen, durch seine Worte Wirkung zu erzielen. Geduld wird damit zu einer Schlüsseltugend erhoben – sie erst macht die so wichtige Gesprächskultur möglich, in welcher die einfache Ordnung herrscht, dass jeweils nur Einer spricht und die Anderen unbeeinträchtigt von störenden Einwürfen zuhören können. Eine grosse Frucht aus der Beachtung dieser Form nennen wir ‚die Geistesgegenwart‘.
Schlüsselingredienz für ein fruchtbares Zusammenleben ist das Vertrauen; für den Avalonier ist Vertrauen sein Hauptinvestitionsgut. Er weiss, dass er dieses einbringen darf, bevor es der Andere tut und dass er es nur aus seinen Ersparnissen tun kann, das wir ‚Selbstvertrauen‘ nennen. Der Missbrauch von Vertrauen erschüttert ihn nicht, lässt ihn aber sorgfältiger den Boden prüfen, auf welchen er seinen Samen aussät.
Unentwegt forscht er weiter an Fragen wie: Wie entsteht Vertrauen und wie verdient man es? Wie kann man das ehrliche, gemeinsame Wollen kultivieren? Was braucht es, damit ich so sein kann, wie ich bin? Oder wie kann ich lernen zu wissen, wer ich bin und welche Mission ich habe?
Jede Antwort auf diese Fragen und jede daraus erwachsende neue Frage, aus dem Dialog mit sich und seinem Gegenüber, lässt das Bewusstsein wachsen, welche Verantwortung wir für unser Denken und Sprechen tragen und welch schöne Blüten dieses Bewusstsein hervorbringen kann. Aus der Kunst des Sozialen kann so die veritable Lebenskunst entstehen.
Avalon wendet sich deshalb aber auch nicht speziell an den Wilden, der es nicht schafft, seine Naturkräfte zu bändigen, geschweige denn umzuformen. Er ist diesen Naturkräften geradezu schutzlos ausgesetzt und so bleibt ihm nur die Verinnerlichung dieser Wildheit mit dem Preis, dass er im Stolz auf diese doch nur fremdbestimmt bleibt. Der Wilde ist schon zufrieden, dass er sich durch seinen blossen Willen vom Tier unterscheidet und er dadurch auch in erstaunlicher Gesundheit leben kann. Für Kunst und Kultur hat er meist nur Verachtung übrig.
Avalon zieht Menschen an, die auf ihrem Lebensweg voranschreitend, links und rechts die barbarischen und wilden Abgründe erkennen und dennoch einigermassen gradlinig weitergehen können. Sie wissen, dass sie sich ihren eigenen Kompass bauen müssen, um den Weg auch bei Nebel weiter beschreiten zu können. Sie haben Schmerzen, doch wandeln sie diese in Erkenntniskräfte um. Sie schaffen sich so ihr eigenes Vermögen und können, getragen von einem wachsenden Selbstbewusstsein, ihre Willenskräfte in das Verstehen (und nicht das Verurteilen) einbringen. Ihre Lebensstimmung ist die eines Abenteurers, der jeden Tag in neue, vorerst unverständliche Situationen hinein gestellt ist oder hineingerät, die letztlich den Lernstoff für die Stärkung der Bewusstseinsseele bilden. Vorbild ist Parzival, der als Nichtwissender an verschiedenen Aufgaben, oft auch an ihnen scheinbar scheiternd, immer aber an ihnen wachsend, zu mehr Wissen kommt, bis er letztlich sich sogar die Fähigkeit des Mitleidens abzuringen vermag, welche zur Grundlage der Freiheit wird.
Avalon steht unter dem Schutz des Freisten und wird sich eines Tages als etwas manifestieren können, was wir heute ‚Staat‘ nennen und sich dann, wenn er es zur Anschauung für die Menschen gebracht hat, in einer andersartigen Gleichheit zeigt. Dann oder dort wird die Gralssuche verstanden werden können als das Durchbrechen des aus den Niederungen kommenden Menschen in die höheren, d.h. geistigeren Sphären, in denen sein Kopf aus den Nebeln herauszuragen beginnt und dann durch seine eigene Schöpferkraft immer mehr seiner Gestalt offenbar wird bis sie neu erstrahlt. Dieser Mensch wird begriffen haben, dass er sich selbst aus dem Nichts neu zu schaffen hat, wenn er Mensch werden will und unter vielem anderen auch die materialistische Auffassung und Gefangennahme durch Erbströme, Herkunft und anderen unzulänglichen Theorien abschütteln wird.
Die folgenden fünf Ingredienzen dieses geistigen Impulses verdichten sich durch ihr Zusammenwirken zu einer Quintessenz, die sich durch das oft schmerzhafte Gebären neuer Fragen und dem fortwährend vertieften Beantworten laufend erneuert und sich zu einer ‚Kunst des Sozialen‘ entwickelt:
1. Individuelle Integrität
Wenn in unserem Verhalten unsere Werte und Ideale anschaulich werden, offenbart sich unsere eigene, essentielle Integrität. Es ist eine Schlüsselaufgabe des Avalon-Schülers, sich denkend und handelnd diejenigen Werte und Ideale ins Bewusstsein zu bringen, für die er auch die Konsequenzen zu tragen bereit ist. Damit das geschehen kann, bietet Avalon, verkörpert durch den Modelhof, einen Raum, in welchem Wahrhaftigkeit, Wohlwollen und der Wille zur Freiheit veranlagt sind. Wer dies ablehnt, muss draussen bleiben.
Wir drehen uns im Stand in die Richtung der Ideale und laufen dann in diese Richtung los – so sind sie unsere Orientierung und unsere Zukunft. Das Mass, mit dem wir uns für sie einsetzen und daraus Vorzüge zu bilden vermögen, bestimmt unsere individuelle Integrität.
2. Lernen
Avalon zieht Bürger an, die ihren wesentlichen Lebenssinn in der Lerntätigkeit erkennen oder zumindest erahnen. Lernende erfahren sich selbst als besonders ergiebigen Forschungsgegenstand. Ein Kernelement dabei ist die Forschung nach den eigenen Beweggründen, also die Frage: Was bewegt mich wirklich, das zu tun, was ich tue? Wenn z.B. jemand ‚schlecht‘ angezogen ist, kann es ökonomische Gründe haben, aber auch z.B. den Grund, dass sich der Träger fortwährend beweisen muss, dass er nicht eitel ist. Dies deutet auf Eitelkeit hin und zieht die anderen insofern in Mitleidenschaft, als sie keine Erhebung durch den Anblick dieser verborgen eitlen Person erfahren können. Beweggründe sind Urkräfte des Willens, die oft im Verborgenen liegen und unter Umständen erst wieder in der vollzogenen Handlung in Erscheinung treten – entsprechend interessant kann die Forschung nach ihnen sein. Dazu braucht es Interesse an sich und der Welt, Unvoreingenommenheit für Neues und Schonungslosigkeit gegen sich selbst. Das Denken ist die Schlüsseltätigkeit dazu.
In der Avalon-Lernkultur ist ein Problem nicht negativ, sondern eine Lernchance, weil es das Denken in Gang setzt. Entsprechend macht das Leben hier Freude, weil alle Bürger in dieselbe, nämlich lösungsorientierte Richtung denken und handeln, ohne dabei uniform zu denken und zu handeln – im Gegenteil: Ihre Individualität tritt so akzentuierter hervor.
Eine wichtige und schöne Lernfrucht ist das Erkennen von Gesetzmässigkeiten und Einsichten in das, was rechtmässig ist und was nicht. Derlei Einsichten verschaffen dem Lernenden eine zunehmende Stimmung der Objektivität, die hilft, von der heute dominierenden Empörungskultur wegzukommen. Avalon hat es nicht auf die Expansion seines Territoriums abgesehen, sondern auf die Expansion des Bewusstseins seiner Bürger. So wird Macht rechtmässig.
3. Qualität
In der Liebe zur Qualität äussert sich die Wertschätzung für das eigene Dasein und dasjenige des Anderen; so legt sie die Grundlage für unser Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln. Getragen von der Selbstschätzung als willkommene Form des heute so oft gescholtenen Egoismus‘ denkt und handelt der Avalonier sorgfältig, gründlich und zuverlässig. Er ist ein Egoist im guten Sinne, indem er darauf aus ist, für sich selbst zu sorgen, auch, aber nicht nur, um nicht seinen Mitmenschen eine Last zu sein.
Das Denken ergiesst sich in ein Sprachbewusstsein, welches dem Wort und der Satzbildung höchste Bedeutung ‚zuspricht‘. Der Avalonier ist ein strenger Hüter seiner Zunge, Sprachforscher, Sprachtalent und Sprechübender. Er unterscheidet zwischen den Anforderungen an den schriftlichen und an den mündlichen Ausdruck und weiss sogar um Dinge, die nicht gesagt, sondern besser gleich getan werden wollen oder noch unausgesprochen bleiben müssen, damit sie keinen Schaden anrichten und trotzdem wahrhaftig bleiben können. In der Ahnung um den geheimnisvollen Zusammenhang zwischen Form und Inhalt vermag er in beiden Sphären gleichzeitig zu wirken und zu schaffen.
Während anderswo bei schlechter Qualität der Andere die ‚Schuld‘ trägt, will der Avalonier ‚schuld sein‘, d.h. er verwandelt das Schuldgefühl in Verantwortungsbewusstsein – er will verstehen, warum etwas Unschönes passiert ist, weil er es heilen oder die Wiederholung des Unschönen vermeiden will. Er weiss, dass er im Anderen sich selbst sieht und hütet sich vor dem raschen Urteil, vielmehr schiebt er es so lange wie möglich hinaus. Er sucht nicht die kurzfristig komfortable Opferrolle, sondern die langfristig verantwortungsvolle Täterrolle. Woher nimmt er die dazu notwendige Ausdauer? Was ist das Verhältnis von Qualität und Quantität? Unter welchen Titeln und Argumenten laufen die immer wiederkehrenden Angriffe auf die Qualität und wie ist ihnen zu begegnen? Ja, hier sind noch nicht alle Fragen beantwortet.
4. Die Ökonomie – eine Ode
Die Ökonomie ist ein Wesen, das sich in Avalon wohl fühlen kann. Sie weiss genau, was sie ist, was sie will und was sie bewirkt – merkwürdig nur: Der Ökonom da draussen scheint davon weit entfernt zu sein.
Sie ist sparsam, sorgfältig, wertschaffend, genau, wahrheitsgetreu, bedacht und aufmerksam, denn nichts geht bei ihr verloren, aus allem wird etwas mit Wert geschaffen. Er aber ist unsicher, starrt angsterfüllt auf das Kurzfrist-Phänomen der Konjunktur, will Konsum mit allen Mitteln ankurbeln, hat den Geist des Geldes nicht begriffen, macht Sterbende (Banken ) zu Untoten, redet enorme Defizite schön und taumelt von einer falschen Prognose zur anderen. Sie aber ist treu, fleissig, gradlinig und effektiv; lässt immer wieder Blasen platzen, Schlaumeier ins Leere laufen, diszipliniert Prasser und erschafft derweil weiter Schätze. So aber sind die Neider und Schmarotzer auch nicht weit. Sie wird eine Gierige gescholten, ja sogar als Diebin bezeichnet. Andere schreiben Sätze auf geduldiges Papier, nennen es Gesetz, um ihr unter den schönsten Worten wie ‚Gerechtigkeit’ und ‚Solidarität’ ihre Schätze zu stehlen. Jene scheuen dabei nicht davor zurück, die Menschen zu einem unehrenhaften Leben, nämlich auf Kosten anderer, zu verführen – sie nennt es nüchtern ‚Renten erschleichende Gesellschaft’. Sie aber bleibt ruhig, gewissenhaft, standhaft und tätig, weil sie höheren Gesetzen folgt, die nicht geschrieben sein müssen, um zu gelten. So wird sie auch diesen Sieg davontragen, wie damals als sie in Berlin die Mauer einstürzen liess, welche die Beschränktheit des Sozialismus‘ so anschaulich machte. Sie macht das erstaunlich milde, friedfertig, gelassen und wohltuend für alle und verliert kein Wort an ihre Anschuldiger; ihre Tugendhaftigkeit ist gross und ihre Früchte sind schön. Und so wird auch sie in Avalon das Denken und Handeln anregen und das Schöne möglich machen.
In Avalon ist das Geld nicht vom Geiste Mammons besetzt, der nämlich nur - aber immerhin - ein mächtiges Konglomerat ist, bestehend aus verschiedensten Untugenden wie Neid, Missgunst auf die anderen, gepaart mit Minderwertigkeitsgefühlen aus dem, allenfalls sogar zu strengen, Urteil über den eigenen Erfolg. Geld trägt den Geist, mit dem man es erworben hat, so dass man die Menschen tatsächlich an ihren Früchten erkennen kann. In Avalon ist kein Platz für die Verachtung des Geldes.
5. Vertrauen
Avalon ist ein Zusammenwirken souveräner Individuen, die in einem sinnvollen Ganzen einen sozialen Organismus bilden. Das ideale Zusammenwirken kommt in der Formel 1 + 1 = 3 zum Ausdruck. In einem fruchtbaren Gespräch, in dem Erkenntnisse ausgetauscht werden, kann dieses vermeintliche Wunder praktisch erlebt werden. Der Eine gibt geistigen Inhalt, ohne es dabei zu verlieren – im Gegenteil, es wächst noch durch den Tausch. Der Andere empfängt es dankend und ist so bereichert. Im Prinzip der Gegenseitigkeit verstärkt sich diese Synergie zu einem erlebbaren Reichtum. Es ist hier aber auch eine Menschenpflicht, das Gegenüber zu korrigieren und auf Untugenden hinzuweisen, ansonsten sie sich weiter auswachsen, bis ihnen kaum mehr Einhalt geboten werden kann. Anschauung erhalten wir jetzt im unmittelbaren Kontext, aus welchem heraus Avalon geboren worden ist: Allerorten versklavt der tote Buchstabe die Menschen.
Der Bürger dieser neuen Welt verteidigt den Abwesenden aus dem tiefen Verständnis seiner Schutzlosigkeit – er erreicht so rasch eine Heilung der einen sozialen Organismus zerrüttenden Untugend, über Abwesende schlecht zu sprechen.
Aber auch hier in der Neuen Welt kann jederzeit sogar der mathematisch-logische Erwartungswert von 2 (aus 1+1) noch unterschritten werden – so im Konfliktfall. Er ist ein besonders ergiebiger Forschungsgegenstand und kann sich so von einer Gefahr zu einem Nutzen für die Entwicklung einer ‚Kunst des Sozialen‘ verwandeln – einer Kunst, die getragen ist von Menschenkenntnis und Urvertrauen. Der Avalonier ist nicht bestimmt durch das innere Gedrängtsein, eine Aussage loszuwerden, sondern beseelt vom Willen, durch seine Worte Wirkung zu erzielen. Geduld wird damit zu einer Schlüsseltugend erhoben – sie erst macht die so wichtige Gesprächskultur möglich, in welcher die einfache Ordnung herrscht, dass jeweils nur Einer spricht und die Anderen unbeeinträchtigt von störenden Einwürfen zuhören können. Eine grosse Frucht aus der Beachtung dieser Form nennen wir ‚die Geistesgegenwart‘.
Schlüsselingredienz für ein fruchtbares Zusammenleben ist das Vertrauen; für den Avalonier ist Vertrauen sein Hauptinvestitionsgut. Er weiss, dass er dieses einbringen darf, bevor es der Andere tut und dass er es nur aus seinen Ersparnissen tun kann, das wir ‚Selbstvertrauen‘ nennen. Der Missbrauch von Vertrauen erschüttert ihn nicht, lässt ihn aber sorgfältiger den Boden prüfen, auf welchen er seinen Samen aussät.
Unentwegt forscht er weiter an Fragen wie: Wie entsteht Vertrauen und wie verdient man es? Wie kann man das ehrliche, gemeinsame Wollen kultivieren? Was braucht es, damit ich so sein kann, wie ich bin? Oder wie kann ich lernen zu wissen, wer ich bin und welche Mission ich habe?
Jede Antwort auf diese Fragen und jede daraus erwachsende neue Frage, aus dem Dialog mit sich und seinem Gegenüber, lässt das Bewusstsein wachsen, welche Verantwortung wir für unser Denken und Sprechen tragen und welch schöne Blüten dieses Bewusstsein hervorbringen kann. Aus der Kunst des Sozialen kann so die veritable Lebenskunst entstehen.
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